Die natürlichste Sache der Welt ist nicht immer die natürlichste, wenn es darum geht, über sie zu reden. Die Kabarettistin nimmt in ihrem ersten Sachbuch jedoch kein Blatt vor den Mund.
Unzählige Interviews, Leserbriefe, Lebensbeichten und Anekdoten haben die Autorin erreicht, als sie ihre Bekannten und Facebook-Freunde um Hilfe bat. Sie brauchte Informationen … über Sex! Während so mancher vielleicht allein bei dem Gedanken rot wird, sein Liebesleben öffentlich darzustellen, haben viele andere genau gegenteilig reagiert. Allen voran Tatjana Meissner selbst, die den Liebesakt gern zu ihrem – kabarettistischen – Gesprächsthema macht.
Schon die Widmung von Du willst es doch auch zeigt, worum’s geht: „Sex ist gesund, das gilt auch für Lachen. Beides zusammen verlängert unser Leben, sagen Experten. Darum Vorsicht: Wer dieses Buch liest, könnte am Ende so jung aussehen, dass ihm keine Zigaretten und Alkohol mehr verkauft werden!“
Das mit dem Lachen ist allerdings so eine Sache: Ohne Tatjana Meissner zu kennen oder zumindest einmal gesehen zu haben, macht das Lesen leider nicht so viel Spaß wie es könnte, wenn die vorher genannten Bedingungen gegeben sind. Zumindest mir erging es so beim ersten Buchdurchgang. Als ich die Autorin jedoch in ihrer zweiten Facebook-Lesung Life is live lebensecht und in Farbe kennengelernt habe, da sah das Ganze gleich anders aus.
Ich muss gestehen, dass sie bei dieser Kurz-Lesung auch aus einer meiner Lieblingsgeschichten gelesen hat … Die äußerlich so schüchtern wirkende Gabi erzählt Tatjana, dass sie nach der Wende als Telefonsexgirl gearbeitet hat – und sich sogar einmal als Domina versuchte, da die Verdienstchancen hier besser waren (die Männer blieben länger in der Leitung). Doch was so einfach klang, gestaltete sich in der Praxis etwas komplizierter:
Mein erster Sklave war ein Schwabe, der mich sofort überforderte. Inhaltlich und mit seinem Dialekt. Kaum hatte ich den Knopf gedrückt, der uns beide telefonisch verband, schwäbelte er los: »Hallo, Herrin. I will dai Obfr sein.« »Auf die Knie, du Opfer, ich schlag dich zielgenau und dosiert, bis du um Gnade bettelst!«, herrschte ich ihn an.
»Oh ja, wo na schlägsch mi?«
»Genau, voll Wonne schlag ich dich, du Opfer!«
»Noi, i will wissa, wo na ond womid du mi schlägschd.«
»Ach, du willst wissen, womit ich dich voll Wonne schlage. Mit der Riemenpeitsche.«
»Bidde, oh Herrin, batsch mi mid däm Schbädzle-Bredd. Du sollsch mi uf den Fiedle batscha.«
»Was isn Fiedle? Willst du mit der Geige verdroschen werden?«
»Nee, i mei den Arsch. Mid däm Schbädzle-Bredd.«
»Und was ist ein Schbädzle-Bredd?«
»I werd gloi wüdend. Du weischt ja gar nix. Du bist wedr als Domina no in der Küche zu gbraucha. So wird des nix.«
Und schon hatte er aufgelegt.
Die Situationskomik liefert sich mit dem eigentlich angebrachten ‚Ernst der Lage‘ eine harte Schlacht, aber bekanntlich schreibt das Leben noch immer die besten Geschichten – wie wahr! Und Du willst es doch auch ist voll mit solchen skurrilen Begebenheiten: Da wäre die Mutter, die ihrem Teenager-Sohn vor Augen führt, dass es sich nicht schickt, mit freiem Oberkörper am Frühstückstisch zu sitzen (Pubertät ist, wenn die Eltern schwierig werden). Oder das Paar, das seit ihrer Hotelübernachtung in einem ‚Seniorenbett‘, das sich just als es kuschelig wurde, in zwei eigene Betten teilte, immer einen Strick mitführt (Verschlungene Rentnerbetten). Aber auch Tatjana Meissner plaudert aus ihrem erotischen Nähkästchen: Für ihre erste große Liebe Franki landete sie im Sommer 1980 sogar in einem NVA-Spind – nackt, mit den Klamotten zu ihren Füßen.
Du willst es doch auch lebt von Tatjana Meissner und ihrer Persönlichkeit. Wie sich bei der Facebook-Lesung zeigte, überzeugt ihr Gesamtpaket auf ganzer Linie: das verschmitzte Lächeln, die wunderbaren Stimm-Imitationen, die je nach Geschichte variierenden Verkleidungen und die Chuzpe, dem Worte zu verleihen, was sich andere vielleicht nicht zu sagen trauen. Ganz ehrlich, ich glaube, als Hörbuch wäre Du willst es doch auch einfach perfekt. Und all jenen, die die Kabarettistin noch nicht kennen, empfehle ich einen Blick auf ihre Homepage, um das möglichst schnell nachzuholen. Es gibt deutschlandweit zahlreiche Gelegenheiten, sie persönlich mit Du willst es doch auch (oder anderen Programmen) auf der Bühne zu erleben. In Berlin ist sie das nächste Mal am 23. Mai in der Stadtbibliothek Lichtenberg – das werde ich mir nicht entgehen lassen!
Tatjana Meissner: Du willst es dich auch. Berlin: Eulenspiegel Verlag 2016. ISBN 978-3-359-02492-7. Leseprobe.
Herzlichen Dank an den Eulenspiegel Verlag für das Rezensionsexemplar!